Schottland gilt, und das ist weltweit unbestritten, als die Wiege des Golfsports. Nun zieht sich aber zwischen diejenigen schottischen Anhänger des Nationalsports, welche sich auch für dessen Geschichte interessieren, eine Kluft. Gewissermaßen kann man diese als St. Andreas-Graben bezeichnen. Da nehmen nämlich die im Wallfahrts-Ort St. Andrews für sich das Gütesiegel „Home of Golf“ in Anspruch. Das sieht man auf der Südseite des Firth of Forth freilich etwas anders. In Edinburgh pocht mancher darauf, dass hier doch alles noch ein bisschen älter sei. Nun, um den Konflikt zum Wohlwollen beider Parteien zu befrieden, könnte man vielleicht salomonisch urteilen: Wenn St. Andrews das Mekka des Golfsports ist, dann ist Edinburgh das Rom.

Den Vergleich darf man einigermaßen wörtlich nehmen. St. Andrews hat nur das eine Heiligtum – Edinburgh dagegen so viele Golfplätze wie Rom Kirchen. Na ja, beinahe jedenfalls. 20! Nicht weniger als 20 Golfplätze teilen sich die Gemarkung der schottischen Hauptstadt. Man muss das Verhältnis der Edinburgher zum Golf erst mal an sich begreifen. Hier fahren die Menschen mitunter mit Tram und Linienbus zum Golfen – statt mit SUV oder kleinem schwarzen Cabrio. Also Golfspielen ist hier so selbstverständlich wie für uns Deutsche der Besitz einer Rabattkarte.

Edinburgh atmet quasi Golf. Und mal angenommen, man hat für diese reizvolle Stadt wirklich nur ein einziges Wochenende Zeit, so kann man sich hier in nur zwei Atemzügen ein großes Stück Golfgeschichte erspielen.

Geschichtsstunde 1: Zu Gast im ältesten Golfclub der Welt

Allein der Name lässt in Demut verharren und macht wieder bewusst, dass man sich beim Golf Zeit nehmen soll – auch für das vollständige Aussprechen des Clubnamens. So viel Zeit muss sein. The Royal Burgess Golfing Society of Edinburgh. Seit 1735 besteht der ehrwürdige Club mit dem königlichen Siegel – 19 Jahre länger als St. Andrews. Der Club ist stolz auf seine Tradition und teilt sie daher auch gerne mit Gästen, auch solche ohne Adelstitel. Wer eine Scorecard für diese Parklandschaft bekommt, der empfindet 100 Pfund Greenfee als Sonderangebot – Royal Burgess notierte schon im Ranking der 100 besten Golfplätze weltweit. Irritieren Sie die Menschen nicht mit Versicherungs-Erklärungen über Ihr Handicap – niemand hier geht davon aus, dass Sie gekommen sind, um den Platz umzupflügen. DGV-Karte? Sofern sie keine Kreditkarten-Funktion hat, kann hier niemand was damit anfangen. Auch die gewohnte Farbenlehre stellt die Königliche Golfgesellschaft auf den Kopf. Die Schottenlady ist nämlich gelb, die „Yellow Yards“ kennzeichnen die Damenabschläge. Die „Red Yards“ dagegen sind für die Herren und die „White Yards“ für alle, die sich in Sachen Länge irgendwo dazwischen orientieren. Es gibt eine Driving-Range, die aber nicht so heißt – allerdings ohne Kilometrierung. Vielleicht ein dezenter Hinweis darauf, dass man den kompetitiven Anspruch des Spiels hier nicht darin sucht, den Ball mit einer Composit-Bratpfanne 320 Meter weit zu dreschen. Obwohl es hier durchaus nutzen kann. In Erinnerung bleibt besonders Bahn 4 – mit 465 Yards (425 Meter) ein gewaltiges Par 4. Ein paar böse Bäume machen den Weg zum Grün nach dem Abschlag noch länger. Wem hier am Ende zwei Putts zum Par bleiben, der wird noch lange sagen: „Ich! Habe! Feuer! Gemacht!“

Geschichtsstunde 2: Auf Maria Stuarts Spuren in Musselburgh Links

Es ist keineswegs ein neuzeitlicher Golferwitz, wonach man doch wegen der Beisetzung seiner Ehefrau nicht gleich seine Golfrunde ausfallen lässt. Maria Stuart, Königin der Schotten, erregte einst öffentliche Empörung, weil sie nach dem wahrscheinlich von ihr beauftragten Gattenmord, seelenruhig zum Golfen ging. Überliefert ist auch ein Ereignis aus dem Juni 1567. Damals spielte Queen Mary erst noch eine Runde auf dem Old Course von Musselburgh Links, bevor putschende Lords sie in Hausarrest nahmen. Das macht den Platz in dem Fischerdorf vor Edinburgh zum ältesten heute noch bespielten Golfplatz der Welt. Golf war in Schottland sowieso immer schon auch Frauensache. 1811 sahen die Links das erste je gespielte Damenturnier der Welt, als die Frauen der ansässigen Fischer hier zum Wettkampf antraten. Und bis 1889 war der 9-Loch-Platz gar sechs mal Schauplatz der Open Champions. Wie sich die Bahnen auf der einen Seite entlang einer Kette kleiner Häuser im Arbeiter-Baustil aus dem Ort hinausziehen – das hat fast schon ein bisschen St. Andrews-Optik.

Weitere Vergleiche wären indes unangebracht. Die Romantik von Musselburgh liegt wohl auch darin begründet, dass die Pflege des Platzes auch vor hundert Jahren stehengeblieben zu sein scheint. Eingebettet in eine Pferderennbahn und einer Dünenlandschaft mit hohen Riedgräsern hat der Platz sich für ein, na sagen wir mal sehr ursprüngliches Spiel bewahrt. Doch wen stören schon abgetrampelte, zerlöcherte Fairways bei so viel Geschichte? Der Old Course von Musselburgh ist einfach charmant. Besonders auch wegen der neckischen Namen für die Spielbahnen. Die Bahn 4 heißt Mrs. Formans – genau wie der Pub direkt neben dem Grün, dessen Außenwand durchaus mit ins Spiel kommt. Die wahrscheinlich originellste Halfway-Hütte der Welt.